Schaden im Ausland
Früher hatte ein Verkehrsunfall mit einem Schaden im Ausland zusätzlich zu den Misslichkeiten zur Folge, dass der Schaden vor Ort geltend gemacht werden musste.
Durch die Klage am Unfallort ergaben sich zwei große Unannehmlichkeiten:
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das Einschalten eines ausländischen Rechtsanwalts sowie
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häufig eine Terminwahrnehmung vor dem ausländischen Gericht.
Eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (13. Dezember 2007, Aktenzeichen C-463/06) hat diesem Missstand ein Ende bereitet und erleichtert es den Unfallopfern erheblich, einen Auslandsschaden geltend zu machen: Wenn bei einem Verkehrsunfall ein Schaden im Ausland entsteht, kann am Wohnsitz des Opfers geklagt werden, und zwar direkt gegen den ausländischen Versicherer. Voraussetzungen hierfür sind:
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eine entsprechende unmittelbare Klage gegen den Haftpflichtversicherer muss nach dem Recht des Landes, in dem der Auslandsschaden entstanden ist, möglich sein und
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der gegnerische Haftpflichtversicherer muss seinen Sitz in einem Mitgliedsland der EU haben.
Kurz nach dieser bahnbrechenden Entscheidung befasste sich der Bundesgerichtshof (BGH) ebenfalls mit einem Fall, der einen Schaden im Ausland zum Gegenstand hatte. Der BGH legte die EuGH-Entscheidung seinem Urteil zugrunde.
Der Unfallschaden im betreffenden Fall war in den Niederlanden entstanden.
Der Geschädigte klagte an seinem Wohnsitz in Aachen gegen den Haftpflichtversicherer des Unfallgegners, der den Schaden im Ausland verursacht hatte. Das Amtsgericht Aachen hatte seine Zuständigkeit verneint, in den folgenden Instanzen sahen jedoch sowohl das Landgericht als auch der BGH die Zuständigkeit des Amtsgerichts in Aachen als gegeben an.
Problematisch und besonders zu prüfen ist bei Fällen mit einem Schaden im Ausland immer, ob eine Klage unmittelbar gegen die Haftpflichtversicherung des Schädigers nach dem jeweils einschlägigen, ausländischen Recht überhaupt möglich ist. Fast alle Mitgliedsstaaten der EU sehen die Möglichkeit einer Direktklage gegen die Versicherung bei Verkehrsunfällen mit einem Schaden im Ausland mittlerweile vor. In Portugal ist es sogar ausdrücklich vorgeschrieben, direkt gegen den Versicherer zu klagen.
Ein Schaden im Ausland kann natürlich nicht nur bei einem Verkehrsunfall passieren.
Deshalb ermöglichen heute bereits einige EU-Länder auch für andere Haftungsfälle Direktklagen gegen Haftpflichtversicherungen. Beispiele sind Verkehrsteilnehmer wie Fußgänger oder Radfahrer, aber auch Berufsgruppen wie Ärzte und Handwerker, die einen Schaden im Ausland verursachen.
Zusätzliche Verfahrenskosten werden allerdings bei Fällen, die einen Schaden im Ausland zum Gegenstand haben, auch bei einer in Deutschland erhobenen Klage nicht ausbleiben: Denn die Klage muss zugestellt werden - im Ausland. Was zur Folge hat, dass die Klageschrift in einer besonderen Fassung (ohne Paragrafenzeichen, ohne Abkürzungen) übersetzt werden muss - auf Kosten des Klägers, der diese zusätzlichen Ausgaben nur dann ersetzt bekommt, wenn er den Fall gewinnt.
Die Prozessführung richtet sich übrigens auch bei Verfahren, die einen Schaden im Ausland betreffen, nach dem deutschen Zivilprozessrecht. Für die letztendliche, materielle Entscheidung (zum Beispiel die Frage, wer Schuld hat, welche Fahrlässigkeitsmaßstäbe gelten) gilt allerdings das Recht vor Ort. Wer einen Schaden im Ausland erleidet, muss sich nach dem dort geltenden Recht beurteilen lassen.
Doch welcher Richter kennt sich schon in jedem ausländischen Rechtssystem aus?
Bei Fällen mit einem Schaden im Ausland, die auch nach ausländischen Gesetzen zu beurteilen sind, sind deshalb in der Regel Gutachten notwendig, die Auskunft über die den Fall betreffenden, rechtlichen Aspekte geben. Diese Gutachten erstellte bisher oft das Max-Planck-Institut - ein zusätzlicher Kostenfaktor, der die Geltendmachung von Ansprüchen, die aus einem Schaden im Ausland resultieren, noch teurer machte.
Doch es gibt kostengünstigere Lösungen. Darauf hat das Oberlandesgericht München hingewiesen (10 U 4502/07, Urteil vom 18. Januar 2008). Ein europäisches Übereinkommen aus dem Jahr 1968 eröffnet dafür eine Möglichkeit: Wenn sich ein Gericht veranlasst sieht, bei einem Fall mit einem Schaden im Ausland weitere Informationen über die Rechtslage in einem bestimmten Land der EU einzuholen, können die dort zuständigen Behörden in Anspruch genommen werden, um diese Auskunft zu erteilen. Eine amtliche Auskunft ist aus Kostengründen dem Gutachten eines Instituts natürlich vorzuziehen.
Der „Opfergerichtsstand“ als perfekte Alternative zur Klage im Ausland?
Ein in Deutschland ansässiger Rechtsanwalt hat gute Gründe, diese Möglichkeit bei Unfällen mit einem Schaden im Ausland nicht ganz so rosig zu sehen: Dem Kläger wird nämlich die Option genommen, den Versicherer zusammen mit dem Verursacher zu verklagen - was bei Fällen mit Unfällen in Deutschland fast immer gemacht wird, damit der Verursacher als Zeuge im Prozess um die Haftpflicht ausscheidet. Bei in Deutschland verhandelten Prozessen, die einen Schaden im Ausland betreffen, ist dies nicht möglich. Nur die gegnerische Versicherung kann ja am „Opfergerichtsstand“ verklagt werden.
Wer einen Schaden im Ausland erleidet, hat also bei der rechtlichen Geltendmachung seiner Ansprüche auch weiterhin zusätzliche Schwierigkeiten. Es bleibt zu hoffen, dass der Gesetzgeber oder die Rechtsprechung die verbleibenden Missstände auf diesem Gebiet beseitigen.