Arglistige Täuschung bei Antragstellung
Umfang der Beweislast des Versicherers bei arglistiger Täuschung - Täuschungsabsicht des Versicherungsnehmers bei der Beantwortung von Antragsfragen
Eine arglistige Täuschung bei der Beantwortung von Fragen im Versicherungsantrag setzt eine Vorspiegelung falscher oder Verschweigen wahrer Tatsachen gegenüber dem Versicherer zum Zwecke der Erregung oder Aufrechterhaltung eines Irrtums voraus. Der Versicherungsnehmer muss vorsätzlich handeln, in dem er bewusst und willentlich auf die Entscheidung des Versicherers einwirkt. Nach den Grundsätzen der BGH-Rechtsprechung (z.B. BGH, Urteil vom 07.02.2018, AZ: IV ZR 53/17) rechtfertigen falsche Angaben in einem Versicherungsantrag allein nicht den Schluss auf eine arglistige Täuschung. Die Rechtsprechung weist darauf hin, dass es einen allgemeinen Erfahrungssatz des Inhalts, dass eine bewusst unrichtige Beantwortung einer Antragsfrage immer oder nur in der Absicht erfolgt, auf den Willen des Versicherers einzuwirken, nicht gibt. Die Annahme von Arglist setzt vielmehr zusätzlich voraus, dass der Versicherungsnehmer erkennt und billigt, dass der Versicherer seinen Antrag bei Kenntnis des wahren Sachverhalts gar nicht oder nur zu anderen Konditionen annehmen werde.
Grundsätzlich trägt der Versicherer die Beweislast für die Täuschungsabsicht (vgl. BGH, VersR 2011, 909). Allerdings trifft den Versicherungsnehmer beim Vorliegen objektiv falscher Angaben eine sekundäre Darlegungslast. Da es sich bei seinen Angaben regelmäßig um Umstände handelt, über welche nur er Kenntnis hat, muss er plausibel darlegen, wie und weshalb es zu objektiv falschen Angaben gekommen ist. Für den Versicherungsnehmer besteht insbesondere so die Möglichkeit sich von dem Vorwurf einer Täuschungsabsicht zu entlasten.
Die Entscheidung des BGH vom 07.02.2018 (aaO) beschäftigt sich mit objektiv falschen Angaben einer Versicherungsnehmerin bei den Gesundheitsfragen zu einer Risikolebensversicherung. Die Versicherungsnehmerin hat die im Antragsformular gestellten Fragen nach Krankheiten, Störungen oder Beschwerden, stationären Behandlungen sowie Krankheiten der Psyche oder einem Selbsttötungsversuch verneint. Tatsächlich befand sich die Versicherungsnehmerin nach einem Suizidversuch einen Monat in einer Fachklinik für Psychiatrie und hat nach Aufnahme in die geschlossene Station einen weiteren Suizidversuch begangen und wurde anschließend mit Antidepressiva behandelt. Der BGH (aaO) kommt zum Ergebnis, dass die Versicherungsnehmerin ihrer sekundären Darlegungslast durch Vorlage einer gutachterlichen Stellungnahme nachgekommen ist. Der Gutachter hat den Krankheitsverlauf der Versicherungsnehmerin dargelegt und zusammengefasst ausgeführt, zum Vertragsschluss habe die depressive Erkrankung im Denken der Versicherungsnehmerin und ihrem Selbstkonzept keinen Platz gehabt. Sie habe die Erkrankung in einer neurotischen Abwehr negiert. Die Krankheit sei nicht Gegenstand ihrer persönlichen Realitätswahrnehmung gewesen. Insofern könne weder von einem betrügerischen, noch von einem fahrlässigen Handeln bei der Nichtangabe dieser Vorgeschichte ausgegangen werden. Diesem Verhalten liege vielmehr ein krankhafter Prozess zugrunde.
Mit ihrem Vortrag und Vorlage der gutachterlichen Stellungnahme konnte sich die Versicherungsnehmerin im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast erfolgreich von dem Vorwurf einer Täuschungsabsicht entlasten. Der BGH (aaO) führt aufgrund dieses Sachverhalts aus, der Versicherungsnehmerin habe jedenfalls der Wille gefehlt, auf die Entscheidung des Versicherers im Bewusstsein einer möglichen Ablehnung des Versicherungsantrags Einfluss zu nehmen. Es sei nachvollziehbar dargetan, dass die Versicherungsnehmerin die streitgegenständlichen Gesundheitsfragen objektiv falsch beantwortet habe, weil ihr krankheitsbedingt die Einsichtsfähigkeit und die Erinnerung an die Suizidversuche gefehlt hätten. Besonders weist der BGH darauf hin, der Vortrag der Versicherungsnehmerin könne nicht als unsubstantiiert bewertet werden, da andernfalls die Anforderungen an die sekundäre Darlegungslast überspannt würden. Im Rahmen der sekundären Darlegungslast sei es nicht erforderlich, von einem Facharzt beschriebene medizinische Gründe für die Falschbeantwortung von Gesundheitsfragen weiter zu erläutern oder gar nachzuweisen. Vielmehr habe bei einer solchen Konstellation der grundsätzlich beweisbelastete Versicherer zur Arglist des Versicherungsnehmers weiter vorzutragen und gegebenenfalls dazu Beweis anzubieten. Da zu den subjektiven Voraussetzungen der Arglist ausreichende Feststellungen fehlen, hat der BGH (aaO) den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.