Patientenzuweisung

Niedergelassene Ärzte, die sich für eine Patientenzuweisung bezahlen lassen, gehen ein hohes Risiko ein.

Ein Patient wird in ein ganz bestimmtes Krankenhaus eingewiesen und der Arzt, der diese Patientenzuweisung vorgenommen hat, bekommt dafür eine Art Provision von der Klinik. Eine Vorgehensweise, die auf den ersten Blick fragwürdig wirkt, aber nicht selten praktiziert wird. Die „Zuweiserpauschalen“ werden kontrovers diskutiert. Diese Art von Kooperation kann sowohl die Aberkennung der Vertragsarzt-Zulassung, eine disziplinarrechtliche oder gar strafrechtliche Verfolgung mit sich bringen oder sogar den Verlust der Approbation bedeuten. Zusätzlich muss der betroffene Arzt eine zivilrechtliche Inanspruchnahme befürchten.

Patientenzuweisungen nach diesem „Kooperationsmodell“ bedeuten nach landläufiger Meinung eine Verwendung von Krankenkassengeldern, die zweckwidrig ist. Betrug oder Untreue sind daher strafrechtliche Tatbestände, die diese Vorgehensweise oft erfüllt. Wettbewerbsverstöße und die zivilrechtliche Nichtigkeit dieser Kooperationsverträge führen zu Schadensersatz- und Unterlassungsansprüchen von konkurrierenden Ärzten und Kliniken.

Finanzielle Aspekte sollten die Patientenzuweisung nicht beeinflussen. Allein medizinische Aspekte dürfen ausschlaggebend für die Wahl des Krankenhauses sein. Folglich bestimmen die Berufsordnungen für Ärzte, dass das Versprechen oder Gewährenlassen eines Entgelts oder anderer Vorteile für die Patientenzuweisung in eine bestimmte Klinik verboten sind. Dasselbe gilt übrigens für die Zuweisung von Untersuchungsmaterial. Ein Rechtsanwalt kann Ärzten von dieser Praxis der Patientenzuweisung - auch wenn sie häufig vorkommt - nur abraten. Das Risiko ist zu groß.

Spätestens wenn sich die Ermittlungsbehörden beim Arzt melden, sollte ein Rechtsanwalt aufgesucht werden, der sich mit Straf- und Medizinrecht auskennt.

Denn nicht immer verstößt jede Art von Kooperation zwischen Ärzten und Kliniken gegen geltendes Recht. Eine genauere juristische Überprüfung der konkret vereinbarten Form der Zusammenarbeit ist deshalb sinnvoll. Ausschlaggebend für die Frage, ob ein Verstoß gegen Berufsrecht vorliegt, ist immer, ob medizinische oder finanzielle Aspekte für die Frage der Patientenzuweisung entscheidend waren.

Man muss sich generell - auch im Lichte anderer Kooperationsformen zwischen Ärzten und Kliniken - die Frage stellen, ob eine Patientenzuweisung immer gegen die Interessen des Patienten gerichtet ist, wenn eine Zuweisungspauschale gezahlt wird. Ein Nachweis, dass Pauschalen für Patientenzuweisungen gegen Interessen der Patienten gerichtet sind, konnte bisher nicht erbracht werden.

Zumindest ist die Praxis der Gewährung einer Zuweisungspauschale so ungewöhnlich nicht, wenn man sich zwei andere Konstruktionen praktischer Zusammenarbeit zwischen Arzt und Krankenhaus ansieht. Dies sind

  • das Belegarztsystem und
  • die so genannte Integrierte Versorgung.

Unter dem Begriff „Integrierte Versorgung“ wird die Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Krankenhäusern gefördert.

Der Begriff bezeichnet eine vertraglich geregelte Kooperation zwischen Krankenkassen, Ärzten und Krankenhäusern, die ebenfalls Zusicherungen von Prämien für Ärzte und Krankenhäuser beinhaltet. Das System der Integrierten Versorgung wird sogar vom Gesetzgeber seit 2004 durch neue Regelungen tatkräftig unterstützt. Letztlich ist es jedoch nichts anderes als eine legale Form der Patientenzuweisung gegen Entgelt.

Für das Belegarztsystem, das hierzulande eine lange Tradition hat und von niemandem in Zweifel gezogen wird, gilt das für die integrierte Versorgung Genannte ebenso. Patientenzuweisungen eines Arztes erfolgen auch hier für die Klinik, in der der Arzt als Belegarzt tätig ist. Auch diese Praxis wurde bisher nie als eine Vorgehensweise angesehen, die gegen die Interessen der Patienten verstößt. Selbstverständlich wird auch hier davon ausgegangen, dass die Patientenzuweisung nur unter medizinischen Aspekten erfolgt.

Dieser Blick auf die legalen Formen der Zusammenarbeit stellt klar, dass die überhitzte Diskussion um Patientenzuweisungen gegen Entgelt nicht ganz ehrlich geführt wird.

Die Diskussion ist auch nicht ganz neu. Zuweiserprämien verstoßen nicht erst seit heute gegen geltende Berufsordnungen. Ob eine Patientenzuweisung gegen Entgelt auch strafrechtliche Normen verletzt, ist immer eine Frage des Einzelfalls; manchmal gibt es gute Gründe, diese Frage zu verneinen. Auch die zivilrechtlich geschlossenen Verträge sind überprüfbar und Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht können abgemahnt werden.

Die Neuregelung des § 128 Absatz 3 Sozialgesetzbuch (SGB) V, die seit dem 5. August 2009 in Kraft ist, stellt klar, dass Leistungserbringer des SGB V (beispielsweise auch Sanitätshäuser) Vertragsärzte an der Versorgung nicht entgeltlich beteiligen dürfen. Wer gegen die Regelung des § 128 Absatz 3 SGB V verstößt, kann für die Dauer von bis zu zwei Jahren von der Versorgung gesetzlich Versicherter ausgeschlossen werden - eine Anordnung, die für viele Betroffene existenzbedrohend sein kann.

Natürlich darf keine ärztliche Entscheidung auf medizinischem Gebiet allein von finanziellen oder wirtschaftlichen Erwägungen geleitet sein.

Eine von wirtschaftlichen Aspekten völlig losgelöste Entscheidung ist aber - ganz unabhängig von der Frage der Patientenzuweisungen - heutzutage auf den wenigsten Gebieten möglich. Ärzte sind in der heutigen Zeit immer auch Unternehmer; Zuweisungspauschalen für Patientenzuweisungen sind in dieser Hinsicht nur ein kleines Detail der Wirklichkeit des Systems. Dass die Diskussion um Patientenzuweisungen gegen Pauschalen und die gesetzgeberische Aktivität auf diesem Gebiet die Vertragsgestaltung zwischen Ärzten und Krankenhäusern zukünftig beeinflussen wird, steht außer Zweifel. Nicht aufzuhalten ist jedoch die zunehmende Verflechtung der Bereiche der niedergelassenen Ärzte und der Krankenhäuser.

Stand: 21.05.2012